Smart Factory und der Mythos des digitalen Zwillings
Die smarte Fabrik: Industrie 4.0 lässt grüßen
Bereits der Begriff "Smarte Fabrik" eröffnet eine Spielwiese für Spekulationen. Der Begriff der Fabrik als Produktionsstätte ist eindeutig belegt. Aber smart (englisch: intelligent, gewitzt, schlau)? Die Eigenschaft des Smart-Seins haben sich Alleskönner wie der britische Agent der "00"-Serie auf die Fahnen geschrieben. Bei Geräten und Maschinen kommen Sie vielleicht erst mal ins Grübeln, doch spätestens beim Griff zum Handy blitzt es wieder auf: Smartphone. Der Alleskönner im Westentaschenformat sorgte in nur wenigen Jahren für eine tiefgreifende Veränderung unserer Kommunikationsgewohnheiten. Mit mehr oder weniger großer Selbstverständlichkeit nutzen wir inzwischen die Vielzahl nützlicher Apps für alle Lebenslagen. Das Smartphone ist zum Inbegriff dessen geworden, was den Terminus "smart" im Zeitalter des digitalen Wandels charakterisiert. Das "Internet of Things" - Kurz: IoT - gibt eine vom Verbraucher akzeptierte Kostprobe.
Was verbirgt sich nun hinter dem Begriff "Smarte Fabrik/Smart Factory"?
Die smarte Fabrik ist eine digital strukturierte Fabrik. In der Literatur wird sie häufig als "Fabrik der Industrie 4.0" bezeichnet. Sie ist eine Weiterentwicklung bereits bestehender, moderner Fabriken. Der Akzent des ambitionierten Unterfangens liegt auf der Schaffung intelligenter Umgebungen mit dem Ziel einer Symbiose aus realer und digitaler Welt. Mit den Mitteln der Digitalisierung werden Produktionsanlagen, Fertigungsprozesse und Produkte vernetzt. Dieser Prozess ist längst angestoßen. Die perfekte Realisierung wird in Stufen erfolgen. Das Fernziel der Smart-Factory-Ablauforganisation und Produktion ohne menschliches Zutun lässt sich zeitlich nicht klar definieren.
Internet of Things " IoT & IIoT": Technologien der digitalen Transformation
Beim Eindringen in die Begriffsmaterie der "smarten Fabrik" sind Sie mit diversen Anglizismen und Begriffs-Kürzeln konfrontiert. Ohne plausible Erläuterung ist ihre Wirkung in der Regel eher Erkenntnis verhindernd. Oder haben Sie bereits eine konkrete Vorstellung von "IoT" und "IIoT"?
Das Internet of Things (IoT) ist ein Begriff aus der Informationstechnologie (IT). Das Smartphone, mit dessen Umgang wir inzwischen vertraut sind, ist ein anschauliches Beispiel. Er gilt inzwischen als Alltagsgegenstand. Dennoch verbirgt sich im kompakten Handy-Design ein Produkt, welches über das Internet vielfältig vernetzt ist. Für diese Aufgaben ist das Smartphone mit winzigen Chips, Datenspeichern, Sensoren und Software-Apps ausgestattet. Die Vernetzung von internetfähigen, intelligenten Geräten wie beispielsweise dem Smartphone bezeichnet man als "IoT". So funktioniert digitaler Datenaustausch im Worldwide Web.
Das Internet der Dinge (IoT) und seine Unterkategorie, das industrielle Intenet der Dinge - Kürzel: IIoT - zählen zu den maßgeblichen Technologien der digitalen Transformation. IIoT bezeichnet speziell solche Technologien, die in Fertigungseinrichtungen mit industrieller Umgebung verwendet werden. Deshalb fällt dem IIoT eine Schlüsseltechnologie der Industrie 4.0 zu - der nächsten Phase der industriellen Transformation. Ganz zu Recht, denn mit Hilfe der Vernetzung zahlreicher Produktionseinrichtungen, Geräte und Anlagenteile über das Internet können zeitnah fundierte Entscheidungen getroffen und neue Umsatzquellen erschlossen werden. Viele Software-Produkte mit Fokus auf das Internet der Dinge können sowohl für IoT als auch für IIoT eingesetzt werden. Es gibt aber auch spezifische IIoT Software-Lösungen wie IIoT Plattformen.
Der Mythos "digitaler Zwilling"
Für den Betrieb künftiger, intelligenter Fabriken und Produktionsstätten sind funktionierende Vernetzungsstrukturen unabdingbar. Sie bilden die relevanten Schnittstellen zwischen der Produktionshardware in der Fabrikation und der Welt der virtuellen Realität. Beides gemeinsam bildet das neue Ganze. Die Smart Factory nutzt die externe Vernetzung für die Kommunikation mit anderen smarten Fabriken. Dabei kann sie auf die interne Vernetzung nicht verzichten, denn darüber geschieht die permanente Feinabstimmung sämtlicher interner, für die Produktion relevanter Komponenten.
Vielleicht geht es Ihnen an dieser Stelle der Betrachtung wie jenen Verantwortlichen, die an der Umsetzung erster smarter Fabriken arbeiten: Bei wem und wo liegt die berühmte "Lufthoheit"? Diese Frage ist berechtigt, denn die praktikable Lösung dieses Problems ist System-entscheidend. Es besteht Bedarf an einem virtuellen Abbild der realen Produktion.
Die Lösung klingt zunächst eher irritierend: Jede smarte Fabrik 4.0 existiert doppelt. Fabrik #1 ist die Ihnen aus Ihrem Produktionsumfeld vertraute physische Produktionsstätte. Sie wird ergänzt um das jederzeit aktuelle, virtuelle Abbild - Fabrik #2 - das den einprägsamen Namen "digitaler Zwilling" trägt.
Der digitale Zwilling repräsentiert das digitale Abbild eines Produkts. Wie ein virtueller Scherenschnitt bildet er das Informationsfenster für involvierte Menschen, beispielsweise Produktentwickler oder Produktionsplaner. Sie können Einblick nehmen auf Status- und Statistikdaten zu Betriebs- und Prozessdaten.
Für die Erfüllung seiner Aufgaben in der Simulation einer realen Produktion besteht der digitale Zwilling aus
Intelligenter Verbindung mit Zugriff auf Algorithmen und Simulationsmodelle,
Digitalem Vorlagemodell
und dem digitalen "Scherenschnitt" vom Vorlagemodell.
Bereits in der Produktentwicklungsphase, das heißt im Vorfeld der eigentlichen Produktionsprozesskette kann der digitale Zwilling wertvolle Hilfestellung geben. So lässt sich in frühem Stadium ermitteln, ob ein neu zu fertigendes Produkt auf bestehenden Produktionsanlagen hergestellt werden kann.
Die Einsatzgebiete des digitalen Zwillings lassen sich zu folgendem Profil zusammenfassen:
Produktentwicklung
Entwicklung geeigneter Produktionsanlagen
Produktionsplanung
Qualitätsüberwachung
Virtuelle Produktionsabsicherung.
Umwandlung traditioneller Produktion in die Smarte Fabrik 4.0
Mit welcher Zeitspanne für die Umstellung eines traditionell aufgestellten Produktionsunternehmens zur smarten Fabrik müssen Sie rechnen? Laut Abschätzung seitens Analysten beansprucht der Umstellungsprozess zwischen sechs und 15 Jahren. Bitte berücksichtigen Sie dabei, dass es die Smart Factory aus der Retorte nicht gibt. Jedes Unternehmen ist gefordert, seinen individuellen Funktions- und Zeitfahrplan zu definieren und schrittweise in die Tat umzusetzen. So bedarf es beispielsweise einer neuen, veränderten Abstimmung der Abläufe zwischen den Fachabteilungen Engineering und der IT-Abteilung. Ein sensibles Feld eröffnet sich rund um die Bereiche "Security & Safety". Darüber hinaus sind Aspekte der Firmenkultur, der Ablauf-Organisation sowie der personellen Zukunftsplanung von großer Bedeutung.
Smarte Fabrik: Referenz-Installationen
Die Zahl der in Deutschland bereits realisierten Smart Factories ist noch überschaubar. Hier einige Beispiele:
Firma Globalfoundries, Dresden. In dieser Chip-Fabrik funktioniert die Produktion von Silizium-Wafern vollautomatisch über eine Reinraum-Produktionsstrecke. Die Be- und Entladung übernehmen Roboter. Auch die Abfolge der Fertigungsschritte erfolgt ohne menschliches Zutun.
Siemens Elektronikwerk Amberg. Dort sollen bereit 75 Prozent der Wertschöpfungskette eigenständig von Maschinen und Computern mit entsprechenden Applikationsprogrammen abgewickelt werden.
Das "Schaufenster 4.0" im Werk der SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG, Graben-Neudorf, zeigt seine smarte Fabrik 4.0 Produktion im Projektbetrieb. Dort können Mitarbeiter schon heute erleben, wie ihr Arbeitsleben in der Zukunft strukturiert sein könnte.
Die Fraunhofer IPK Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik, unterhält seit 2016 eine Demonstrationszelle "Smarte Fabrik 4.0". Dort werden Methoden, Konzepte und Produktionstechnologien im Sinne von Industrie 4.0 erprobt und kombiniert.
Smart Factory: Produktivität in der Produktion
These: Die Smarte Fabrik wird kommen. Ihre Frage nach dem "Warum" ist nachvollziehbar und verständlich. Doch die Antwort wird Sie überraschen. Sie lautet: Weil die Zeit reif dafür ist. Die Zeit für einen neuen Ansatz ist stets dann gegeben, wenn die erforderlichen Technologien zur Verfügung stehen. Im Falle der Smart Factory ist dies der Fall.
Erklärtes Ziel für die Produktion unter "Smart Factory Bedingungen" ist die Steigerung der Produktivität. In der Summe geht es um Steigerungen bei
Flexibilität
Effizienz
Geschwindigkeit
Nachhaltigkeit.
Damit sind wir noch nicht am Ende der Gesamtbetrachtung angelangt, denn Smart Factory Konstellationen begleiten das Produkt, für das sie konzipiert wurden, buchstäblich "von der Wiege bis zur Bahre".